(PA_24.10.2022) – Bereits vor Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat Vorarlberg im Rahmen seiner Strategie Energieautonomie+ 2030 den weitgehenden Verzicht auf Heizöl und fossiles Gas in Gebäuden beschlossen. Sowohl Neubauten als auch erneuerte Heizungen sollen künftig grundsätzlich ohne fossile Brennstoffe für Raumwärme, Warmwasser und Kühlung auskommen. Die Tendenz zeigt in die richtige Richtung: Kam im Jahr 2020 noch bei 26 % der Neubauten fossiles Erdgas zum Einsatz, wurde es 2021 nur noch für 12 % der neu errichteten Wohnfläche eingeplant. Kohle und Öl werden in Vorarlbergs Neubauten praktisch nicht mehr eingesetzt. Wurden nach größeren Renovierungen 2020 noch 55 % der Bruttogeschoßfläche mit Öl oder Gas beheizt, wurden im Anschluss an 2021 erfolgte Sanierungen nur noch auf 17 % der Fläche fossile Heizsysteme eingesetzt. Stattdessen dominierten 2021 nach Sanierungen Wärmepumpen (40 %), gefolgt von Biomasse (22 %) und (biogener) Fernwärme (20 %). Mit 285 neuen Pellets- und Pellet-Stückholz-Kombikesseln wurden im Jahr 2021 so viele moderne Holzheizsysteme in Vorarlberg installiert, wie nie zuvor. Aufgrund der derzeit günstigen Fördersituation mit bis zu 13.500 € von Bund und Land Vorarlberg für „Raus aus Öl und Gas“ hält der Trend zu erneuerbaren Heizsystemen weiter an.
Holzenergie wichtigste Raumwärmequelle der Haushalte
Bioenergie hat in den letzten Jahren die jahrzehntelange Dominanz von Heizöl bei der Raumwärmeversorgung der Vorarlberger Haushalte durchbrochen. Holzenergie in Einzelfeuerungen eroberte 2019/20 einen Anteil von 29 % am Raumwärmemarkt; rechnet man die Fernwärme aus Biomasse dazu, ergibt dies 34 %. Die Zahl der Haushalte, die Pellets-, Scheitholz- oder Hackgutfeuerungen als primäres Heizsystem nutzt, erhöhte sich seit 2003/04 um 7.500 auf fast 33.000. Noch deckt Heizöl 27 % des Raumwärmebedarfs in Vorarlbergs Wohnungen. Die Anzahl der Ölheizungen verringerte sich im Vergleichszeitraum nach Daten der Statistik Austria von 63.000 um 36 % auf 40.000 Exemplare. Dieser Ölkesselbestand ist zum Großteil älter als 20 Jahre und soll laut Energiestrategie bis 2030 halbiert werden. Die Anzahl von fossilen Gasheizungen ist über die letzten Jahre mit knapp 23.000 Kesseln (13 %) recht konstant geblieben.
Stromverbrauch für`s Heizen stark gestiegen
Auffällig ist der Anstieg bei Wärmepumpen und Stromdirektheizungen, die mittlerweile 6,8 % bzw. 11 % zum Raumwärmeverbrauch beitragen. Die Anzahl der Stromheizungen hat sich seit 2003/04 mehr als verdoppelt (22.300 Stück), jene von Wärmepumpen sogar versechsfacht (32.000 Stück). Im Zuge dessen hat auch der Stromverbrauch der Haushalte für Wärmeanwendungen um 29 % zugenommen. In Summe heizt noch die Hälfte der Vorarlberger Haushalte mit einer Öl-, Gas- oder ineffizienten Stromdirektheizung. Die insgesamt rund 100.000 Gebäude (inkl. öffentliche und private Dienstleistungen) in Vorarlberg wurden 2020 sogar noch zu etwa 36 % mit Gas und zu 25 % mit Öl beheizt. Die damit einhergehende Verbrennung von Erdgas (48 %) und Heizöl (47 %) ist Hauptquelle für die Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors.
Raus aus Öl senkt Emissionen um 35 %
Mittels Ersatz fossiler durch erneuerbare Energieträger sollen die Treibhausgasemissionen in Gebäuden bis 2030 um 65 % gegenüber 2005 gesenkt werden. Der bisherige Rückgang um 35 % ist vor allem dem Ausstieg aus Ölheizungen zu verdanken. Von der laut Energiestrategie Vorarlbergs für 2030 geplanten Reduktion des Endenergieverbrauchs von Gebäuden um 15 % gegenüber 2005 konnten bisher erst 2,6 % realisiert werden. Eine Hürde auf dem Weg zur Energieersparnis stellt der Anstieg der Anzahl der Hauptwohnsitze seit 2005 um 20 % auf 171.000 sowie der Wohnungsfläche privater Haushalte um 18 % auf 21 Millionen m2 dar.
Fernwärme fast ausschließlich aus Biomasse
Der Beitrag der Fernwärme zum Raumwärmeverbrauch ist mit 5 % derzeit noch vergleichsweise gering (AT: 16 %). Immerhin hat sich die Fernwärmeproduktion genau wie die Anzahl der an die Fernwärme angeschlossenen Haushalte (20.000 Stück) im Ländle seit 2005 etwa verdoppelt. Rund 140 Biomasseheizwerke lieferten 2020 mehr als 316 GWh Wärmeenergie, der Beitrag der fünf Holzkraftwerke war dagegen marginal. Daraus resultiert in Vorarlberg ein äußerst hoher Anteil biogener Fernwärme von 93 % (AT: 51 %). Bis 2030 soll die Fernwärmeerzeugung um etwa 45 % auf 490 GWh gesteigert werden. Derzeit entstehen neue Heizwerks-Projekte in Bludenz, Feldkirch, Bregenz oder Lustenau – es herrscht Aufbruchstimmung in der Biomassebranche.
50–50–100: Vorarlbergs ambitionierter Weg zur Energieautonomie
In einem einstimmigen Landtagsbeschluss hat Vorarlberg 2007 die Energieautonomie als strategisches Ziel bis 2050 festgesetzt. Die Zwischenziele für 2030 lauten: 50 % Anteil erneuerbarer Energieträger am gesamten Endenergiebedarf, 50 % Reduktion der Treibhausgase gegenüber 2005 und 100 % Strom aus erneuerbaren Energieträgern. 2020 lag der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bei 41,4 %. Diese Quote hat sich mit dem gesunkenen Energieverbrauch in der Pandemie kaum erhöht, da die wichtigsten erneuerbaren Energieträger Wasserkraft (–7,3 %) und Bioenergie (–12 %) Rückgänge verzeichneten. Auf diese beiden Energieträger entfallen 84 % des erneuerbaren Energieaufkommens. Sonnenenergie und Umgebungswärme bringen es in Vorarlberg gemeinsam auf einen Anteil von 16 % unter den erneuerbaren Energien, den mit Abstand höchsten Beitrag aller Bundesländer.
Rekordwert bei Photovoltaik – Windkraft wird neu geprüft
Laut EU-Erneuerbaren-Richtlinie beträgt der Anteil Erneuerbarer in der Elektrizitätserzeugung im Ländle 80,5 %. Vorarlberg erzeugt seinen Strom zwar ausschließlich aus erneuerbaren Energien (97 % Wasserkraft, 3 % Photovoltaik, 1 % Bioenergie), ist aber in der Gesamtjahresbilanz mit einer Importquote von 30 % Strom-Nettoimporteur. Nur Wasserkraft aus natürlichem Zufluss zählt zur Stromproduktion, die aus Pumpspeicherung erzeugte Energie ist in der Bilanz nicht enthalten. Die großen Pumpspeicherkraftwerke Vorarlbergs (z.B. Obere Ill Lünersee) sind für den europäischen Markt der Spitzen- und Regelenergie zuständig und decken auch den Spitzenstrom im süddeutschen Raum ab. Um den Stromverbrauch 2030 komplett aus heimischer Produktion decken zu können, soll diese bis 2030 von 2.485 GWh auf 2.800 GWh ausgebaut werden. Neubau und Optimierung bestehender Wasserkraftwerke sollen 150 GWh zusätzlich bringen, davon entfallen 24 GWh auf das kürzlich in Betrieb gegangene Kraftwerk Argenbach. Photovoltaik hat in Vorarlberg 2021 einen großen Sprung gemacht: Mit 30 MW bzw. 225.000 m2 wurde dreimal so viel Modulfläche installiert wie im Schnitt der Vorjahre und der für 2030 anvisierte Jahreszubau schon erreicht. 2030 sollen insgesamt 330 GWh Strom aus Photovoltaikanlagen erzeugt werden (2020: 118 GWh). Windkraftanlagen konnten sich in Vorarlberg aufgrund von Widerständen des Natur- und Landschaftsschutzes bisher nicht durchsetzen. Immerhin hat die Landesregierung Vorarlberg kürzlich eine neue Potenzialanalyse für Windräder in Auftrag gegeben.
Mit Strom aus Biomasse Winterstromlücke decken
Da Biomasse gut speicherbar ist, soll sie einen wichtigen Beitrag zur Deckung der Winterstromlücke leisten. Die Stromerzeugung aus biogenen Energieträgern soll in Vorarlberg moderat ausgebaut und der Weiterbetrieb der Bestandsanlagen gesichert werden. Gemäß Energiestrategie ist ein Ausbau der biogenen Stromproduktion von derzeit 20 GWh auf 50 GWh im Jahr 2030 vorgesehen. Insbesondere Biomasseheizwerke sollen möglichst als KWK-Anlagen ausgeführt werden.
Emissionsschwergewicht Tanktourismus – Spitzenreiter bei Elektromobilität
2021 gelang Vorarlberg nach vorläufigen Daten eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um 14 % gegenüber 2005. 43 % der Treibhausgasemissionen stammten aus dem Verkehr, 22 % aus Gebäuden, 16 % aus der Industrie und 11 % aus der Landwirtschaft. Zwischen 1990 und 2019 kam es im Verkehr, bedingt durch zunehmenden Straßenverkehr und Tanktourismus, zu einem Anstieg der Treibhausgasemissionen um 69 %. Der Dieselverbrauch im Straßenverkehr stieg in dieser Zeit um mehr als das Vierfache. 2021 waren in Vorarlberg etwa 220.000 Pkw zugelassen – 52.000 bzw. 31 % mehr als 2005. Immerhin fahren die Vorarlberger*innen vergleichsweise sparsam Auto und verbrauchen jährlich pro Kopf abgesehen von den Wiener*innen den wenigsten Treibstoff. Einem bundesweit durchschnittlichem Jahresverbrauch von 717 Liter Benzin und 909 Liter Diesel pro Erst-Pkw stehen in Vorarlberg 661 Liter Benzin und 783 Liter Diesel gegenüber. Mit 4.655 Elektroautos ( 2,1 %) verfügt Vorarlberg österreichweit über den höchsten Anteil an E-Pkw unter den Ende 2021 zugelassenen Personenkraftwagen. Bis Juni 2022 wuchs der Bestand bereits auf 5.446 E-Pkw. 2030 sollen rund ein Drittel bzw. 65.000 Fahrzeuge elektrisch auf Vorarlbergs Straßen unterwegs sein. Der Anteil von Elektroautos an den Neuzulassungen ist von 4,0 % (2019) über 8,1 % (2020) auf 17,1 % (2021) exponentiell gestiegen. Gemäß Vorarlberger Mobilitätskonzept sollen die Wegeanteile von Pkw-Lenker*innen generell von 41 % auf 34 % reduziert werden. Im Gegenzug sollen 16 % der Wege mit Bus oder Bahn und 21 % mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Der Kraftstoffexport durch den Tanktourismus, der zuletzt für 25 % der Vorarlberger Emissionen verantwortlich war, soll bis 2030 um 90 % reduziert werden.
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