Titschenbacher: Energiewende ohne forstliche Biomasse nicht realisierbar

02.06.2022
v.li.: Josef Plank (Österreichischer Raiffeisenverband; Wirtschafts-, Agrar- und Europafragen), Gerolf Bücheler (GF Fachverband Holzenergie im deutschen Bundesverband Bioenergie e.V.), Rudolf Freidhager (Vorstand der Österreichischen Bundesforste AG und und stv. Vorsitzender des ÖBMV), Christian Metschina (Referatsleiter Energie, Klima und Bioressourcen, LK Steiermark und stv. Vorsitzender des ÖBMV) und Christoph Pfemeter (GF Österreichischer Biomasse-Verband)

(Wien, 02.06.2022) – „In der EU sind große Biomassepotenziale in Forst-, Land- und Abfallwirtschaft vorhanden, die zum Ausstieg aus russischem Gas forciert werden sollten“, hebt Franz Titschenbacher, Präsident des Österreichischen Biomasse-Verbandes (ÖBMV), anlässlich der Veranstaltung „Raus aus fossilem Gas mit REpowerEU?“ am 2. Juni in Wien hervor. Vor etwa 150 TeilnehmerInnen diskutierten EU-Abgeordnete mit ExpertInnen aus Bundesministerien, Forstwirtschaft und Energie Wege zum Erdgasausstieg. „Aufgrund der verantwortungsvollen Waldbewirtschaftung haben die Holzvorräte in der EU seit 1990 um über 8 Milliarden Kubikmeter zugenommen, das ist mehr als der Waldbestand Österreichs, Deutschlands und Frankreichs zusammengenommen“, erklärt Titschenbacher. „Parallel dazu binden die Wälder immer mehr CO2 aus der Atmosphäre – nicht trotz, sondern wegen ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung. In ganz Europa sind die Wälder vom Klimawandel betroffen. Nur durch aktive Bewirtschaftung kann ein Waldumbau hin zu klimafitten, stabilen und artenreichen Mischwäldern gelingen. Im Zuge von Waldpflegemaßnahmen und zunehmenden Schadereignissen fallen im Wald immer mehr Sortimente an, die nur energetisch verwertet werden können und einen wertvollen Beitrag zum Ersatz fossiler Energieträger leisten können.“ Kein Verständnis hat Titschenbacher für die Forderungen des EP-Umweltausschusses: „Trotz vorbildlicher Waldbewirtschaftung sollen forstliche Nebenprodukte wie Waldhackgut nicht mehr zur Wärme- und Stromerzeugung eingesetzt werden, sondern ungenutzt verrotten. Stattdessen setzt man lieber auf Importe von Fracking-Gas und forciert die Atomkraft. Dies kann nur als grob fahrlässig bezeichnet werden.“

Fragwürdige Maßnahmen für ambitionierte Klimaziele

„Bioenergie ist der bedeutendste erneuerbare Energieträger in der EU. Der Anteil von Biomasse unter den Erneuerbaren beträgt etwa 60 %, in sieben EU-Staaten liegt er sogar über 80 %“, informierte Jean-Marc Jossart, Geschäftsführer von Bioenergy Europe. „Leider blockiert der Europäische Green Deal die Bioenergie-Potenziale, anstatt sie zu nutzten.“ Mit dem Plan REPowerEU möchte die Europäische Kommission die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl beenden und die Energiewende beschleunigen. „Es ist aber zweifelhaft, wie die Einrichtung einer Einkaufsplattform für Erdgas, Flüssigerdgas (LNG) und Wasserstoff, gezielte Investitionen in LNG-Terminals sowie in die Gas- und Ölinfrastruktur oder die Sicherung alternativer Uranquellen für Atomkraftwerke zur Umsetzung der Energiewende beitragen sollen“, zeigte Jossart auf. 

EU-Klimapläne bleiben ohne Bioenergie ein Wunschtraum

„Der Ansatz der Kommission, den Anteil erneuerbarer Energien in sieben Jahren in erster Linie mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus PV und Windkraft sowie der Elektrifizierung des Wärmesektors von 20 % auf 45 % zu steigern, ist völlig realtitäsfremd“, bekräftigte Jossart angesichts der Tatsache, dass elektrische Energie nur etwas über ein Fünftel des Endenergiebedarfs der EU deckt. Die Ursachen für die stiefmütterliche Behandlung der Bioenergie  auf EU-Ebene sieht Jossart vor allem in einem „Biomasse-Bashing“ und emotionalen Kampagnen von Umwelt-NGOs. „Wir müssen die Vorteile der Bioenergie noch besser kommunizieren“, forderte Jossart auf und nannte als Beispiel einen gemeinsam verfassten Brief von mehr als 500 Führungskräften der Bioenergie-Branche an die EU-Kommission.

EU konterkariert ihre eigenen Ziele

„Anstatt Erfüllungsoptionen zu ermöglichen, konterkariert die EU mit den bürokratischen Hürden und neuen Einschränkungen für Bioenergie in der RED III, der LULUCF-Verordnung oder der Sustainable Finance-Taxonomie ihre eigenen Energiewende- und Klimaziele“, kritisierte Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Fachverbandes Holzenergie im deutschen Bundesverband Bioenergie. Zu den Vorschlägen der EU-Kommission für die RED III gehören die Absenkung der Anlagengrößengrenze für Nachhaltigkeitskriterien von 20 MW auf 5 MW, Nutzungsverbote für forstliche Biomasse aus „No-Go-Areas“, ein verpflichtendes Kaskadenprinzip für die Holznutzung und ein delegierter Rechtsakt zu weiteren Einschränkungen der forstlichen Biomassenutzung im Jahr 2026. „Die Treibhausgas-Senkenziele für den Landnutzungssektor stellen die Waldbewirtschaftung und Holznutzung infrage“, mahnte Bücheler. „Während alle Prognosen zeigen, dass die CO2-Bindung im Wald aufgrund von Alterseffekten abnehmen wird, gibt die EU-Kommission unrealistische Ziele für eine Steigerung der Treibhausgassenke vor.“Andererseits müsse der Erneuerbaren-Anteil im Wärmesektor in Deutschland laut Koalitionsvertrag bis 2030 auf 50 % knapp verdreifacht werden. „77 % der erneuerbaren Wärmeenergie in Deutschland basieren auf Holz“, erklärte Bücheler. „Ohne feste Biomasse wird der enorme Ausbaubedarf nicht zu leisten sein.“

Wird mehr Holz verarbeitet, fällt mehr Energieholz an

„Bei der Bioenergie ist in allen Bereichen Ausbaupotenzial vorhanden. Während der Pelletseinsatz in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ist die Nutzung von Waldhackgut und Brennholz durch wärmere Winter, Gebäudedämmung und den Einsatz moderner, effizienter Biomassekessel zurückgegangen; dieser Trend würde sich ohne neue Anlagen im KWK- und Fernwärmebereich weiter fortsetzen“, betonte Christoph Pfemeter, Geschäftsführer des ÖBMV. In Österreich werden aktuell jährlich etwa 49 Millionen Festmeter Holz umgesetzt, davon 25 Millionen Festmeter im Inland für energetische Zwecke. Dieses Energieholz fällt als Nebenprodukt der Holzernte, der Holzindustrie, der Papierindustrie und der Landschaftspflege an. „Der Schlüssel für die Mobilisierung zusätzlicher erneuerbarer Energie aus Holz ist eine florierende Holzindustrie, die Holz zu hochwertigen Produkten verarbeitet und ein daran angepasster Energie-Anlagenpark, der die entlang der Wertschöpfungskette anfallenden Reststoffe so effizient wie möglich nutzbar macht. Dies beginnt bei Scheitholzheizungen, die Brennholz verwerten, Nahwärme- und KWK-Anlagen, die Waldhackgut einsetzen, Pelletkessel, die Sägespäne und andere Sägenebenprodukte für Haushalte nutzbar machen und endet bei Laugenkesseln oder Holzgasanlagen, die auch mit schwierigen Holzabfällen zurechtkommen“, erklärte Pfemeter. 

Durchforstungsrückstände und landwirtschaftliche Biomasse mobilisieren

In Österreich und in Europa wird weniger Holz genutzt als zuwächst, die Nutzungsrückstände im heimischen Wald sind auf über 250 Millionen Festmeter angewachsen, davon 80 Millionen Festmeter in der Durchforstung. „Die Energiewende und damit der Ausstieg aus fossilem Gas kann nicht ohne den wichtigsten erneuerbaren Energieträger Holz und die Mobilisierung von landwirtschaftlichen Biomassen umgesetzt werden. Je mehr Holz in Österreich verarbeitet wird, umso mehr Nebenprodukte fallen für die energetische Verwertung an. REPowerEU muss dringend so umgestaltet werden, dass Biomasse mobilisiert werden kann und nicht ungenutzt verrottet. Wir brauchen langfristige Ziele und einen kontinuierlichen Ausbau der Kapazitäten. Vor allem große Anlagen benötigen mehrere Jahre Vorlaufzeit“, fasste Pfemeter zusammen.

Rückfragehinweis:
Antonio Fuljetic-Kristan, 

Österreichischer Biomasse-Verband,
Tel: +43 (0)1 533 07 97 – 31, 
Mobil: +43 660 85 56 804; 
E-Mail: fuljetic@biomasseverband.at


Forstassessor Peter Liptay, 

Tel: +43 (0)1 533 07 97 – 32, 
Mobil: +43 664 308 2603
E-Mail: liptay@biomasseverband.at

Pressemitteilung EU-Kommission ohne Plan für Bioenergie 02.06.2022 /
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